gescheitert oder gescheiter?

Sharon Hunziker

Nach nun etwas mehr als 30 Jahren Lebenserfahrung, sozusagen als "junger Schnuufer", ist mir rück- und vorausblickend tatsächlich bewusst geworden (anscheinend kommt man mit runden Geburtstagen doch vermehrt ins Sinnieren), dass das Lernen einen Grossteil meines Lebens geprägt hat und wahrhaftig auch in den nächsten 50 Jahren prägend sein wird. 

Von den anfänglichen Schwierigkeiten den Löffel richtig zu halten, über die Erfahrung, dass Eisflächen nicht mit dem Fahrrad befahrbar sind bis hin zum korrekten Lernen erlernen im Studium. Weiter im ersten Job, wie die Theorien doch nicht immer ganz praxistauglich sind und wie Vorgesetzte unterschiedliche Erwartungen haben. Lernen, wie ich gut funktionieren und leisten kann, oder eben auch nicht. Lernen, wie Beziehungen gesund gelebt werden können und was es dazu braucht. 

Der gemeinsame Nenner aller Lerntheorien ist die Tatsache, dass Lernen ein Prozess ist. Charakteristisch für Lernprozesse ist, dass Neues ausprobiert und Fehler gemacht werden. Dies gilt für Organisationen wie auch für Individuen. 

Davon ausgehend, dass Lernen Teil unseres Lebens ist und notwendig für unsere persönliche Entwicklung wie auch die von Unternehmungen und somit Fehler unumgänglich sind, stellt sich auch konsequenterweise die Frage, wie wir mit Fehlern umgehen. 

Das Aufdecken oder Entdecken von meinem persönlichen Unvermögen oder eben "Fehlermachen" löst im ersten Augenblick immer negative Emotionen aus. Meine subjektive emotionale Lernkurve sieht in diesem Moment wie folgt aus: 

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Warum? Weil ich gerne Dinge gut mache, Sachen im Griff habe und ungern mit meinen persönlichen Grenzen konfrontiert werde. 

Mit dem Wissen, dass mein ganzes Leben und Arbeiten auch aus Fehlermachen besteht und diese nicht grundsätzlich negativ, sondern Teil des Weiterkommens und Entwickelns sind, kann ich mit Freude Neues wagen, Veränderungen annehmen und initiieren. Auch kann ich gemeinsam mit meinen Arbeitsgefährten und Mitmenschen aus Fehlern lernen. 

In einem unseres Projektteams haben wir die Abmachung, dass wir Fehler machen wollen und sollen; natürlich nicht absichtlich. Aber der Entschluss, mutig unterwegs zu sein und Dinge zu wagen, setzt diese, sogenannte Fehlerkultur voraus. Der Schlüssel für uns ist, dass wir die Fehler jeweils evaluieren und wichtige Schlüsse ziehen, die uns persönlich, das Team und das Projekt voranbringen. Voraussetzung ist, dass wir dieselben Fehler nicht zweimal machen. 

Lasst uns daher nicht nur über Erfolge sprechen, sondern auch über Fehler, damit wir gemeinsam gescheiter werden; als Zeugnis vom gemeinsamen Unterwegs sein, Neues wagen und mutig sein. 

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